Stolperstein 30 Betty Adler Jg. 1869

Betty Adler, geb. Doernberg,  wurde 1869 in Plauen (Thüringen) geborenen.  Sie war verheiratet mit dem  Möbelkaufmann Meier Philipp Adler aus Obernkirchen, der  an der Langen Straße, heute Nr. 19,  um die Jahrhundertwende 1900 ein modernes Wohn- und Geschäftshaus errichten ließ.

Im Parterrebereich betrieb  er ein Möbelgeschäft, in der oberen Etage wohnte  die Familie. Das Haus ist übrigens nach den gleichen Plänen erbaut, wie das zuvor erbaute Haus seines Bruders Samuel Philipp Adler, Lange Straße, heute Nr. 9  –  daher auch die auffallende Ähnlichkeit beider Gebäude.

Aus der Ehe mit Meier Philipp brachte Betty  6 Kinder zur Welt, 4 Jungs und 2 Mädchen, alle  in Obernkirchen geboren  und  aufgewachsen.

Von den 4 Jungs nahmen 3 am Ersten Weltkrieg teil. Wie die meisten jüdischen jungen Männer, hatten sie sich  – einem Aufruf des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ folgend – freiwillig  gemeldet. Sie  wollten damit ihre „Vaterlandstreue“ unter Beweis stellen. Nur der jüngste Sohn, Kurt, war mit 9 Jahren  für den Kriegsdienst noch zu jung.

Mutter Betty musste dann ertragen, dass ihr 2. Sohn, Erich, mit 21 Jahren  in der Masurenschlacht 1915 fiel. Sein Name steht auf der Tafel der Gefallenen von 1915 unseres Ehrenmals, das  früher  „Kriegerdenkmal“ genannt wurde. Ihr ältester Sohn Paul wurde verwundet. Ob der 3. Sohn, Alfred, mit „heiler Haut“ davon gekommen war, ist nicht bekannt.

Bettys  Ehemann starb 1929. Das Möbelgeschäft übernahm  nun der Sohn Alfred. Als dann am 30. 1. 1933 Hitler zum Reichskanzler gewählt wurde, brach die dunkelste Epoche unserer Geschichte an. Die Juden zu verfolgen,  des Landes zu verweisen und sie  letztlich zu vernichten, war leider nicht nur böse Propaganda gewesen,  sondern wurde  sehr bald bittere Realität. Das begann schon am 1. 4. 1933 mit den schändlichen Boykottaufrufen gegen jüdische Geschäfte. Das Möbelgeschäft von Betty Adlers  Sohn Alfred ging dann auch schon  1933  in Konkurs  und wurde zwangsversteigert . Als einziger Bieter wurde der  „arische“  Kaufmann  Karl Stühmeyer zugelassen, der es dann auch zu einem Schnäppchenpreis erhielt. Betty Adler durfte allerdings weiterhin eine kleine Wohnung in diesem Haus bewohnen.

Betty  Adlers Tochter Karola  war verheiratet mit dem  ebenfalls  in Obernkirchen geborenen Kaufmann Leopold Lion. Dieser hatte erkannt, dass  den jüdischen Menschen nur eine schnelle Flucht vor Deportation und Vernichtung  bewahren konnte. Zur Finanzierung  der Flucht musste aber  vorher noch das Textilkaufhaus „Elias Lion & Co.“ verkauft werden. Das geschah  – weit unter Wert –  im Dezember 1938.   Auch dies Kaufhaushaus erwarb auf Drängen des Ortsgruppenleiters der NSDAP der  Kaufmann und Mitglied der NSDAP Stühmeyer, allerdings mit der Maßgabe, das zuvor erworbene Geschäft an der Langen Straße 19 zu schließen.  Der Verkaufserlös ging auf eine Sperrkonto  und wurde nach Abzug aller öffentlich-rechtlichen Forderungen ausschließlich zum Zwecke der Ausreise freigegeben.

Mit Hilfe von Betty Adlers  jüngster Tochter Edith und deren Mann sowie  Leopolds und Karolas  Sohn Ernst Lion,  die in weiser Voraussicht  schon 1937 bzw. Mitte 1938 nach Neuseeland geflüchtet waren,  gelang diesen nach  Übernahme von Bürgschaften die Einreisedokumente  für Betty Adler, Leopold, Karola und Tochter Ruth Lion zu beschaffen.

Am Himmelsfahrtstag im Mai 1939 verließen  sie  mit Pferd und Wagen Obernkirchen zum Bahnhof Stadthagen. Dort begann die lange Reise  in das ihnen unbekannte, ferne Neuseeland. Es gab niemanden in Obernkirchen, der dieser  einst hochangesehenen Familie  noch ein paar tröstende, mitfühlende  Worte mit auf dem Weg  gab.  Welch ein bedrückendes Gefühl  muss das für die vier gewesen sein, ganz besonders aber wohl für die 70jährige Mutter und Großmutter Betty. Das war also der versprochene „Dank des Vaterlandes“ für die freiwillige Teilnahme am Ersten Weltkrieg und die Leiden der Soldatenmütter.

Betty Adler  verstarb  in Neuseeland  schon  wenige Jahre nach der Flucht. Wann genau oder in welchem Jahr ist nicht bekannt.

Für die Familie Leopold Lion wurden bereits am 1. 7. 2015 vor dem Haus Kirchplatz 2, wo diese   wohnte, Stolpersteine  verlegt. Für Betty Adler wurde dies am 1. 10. 2016  nachgeholt. Vorgestellt wurden  Betty Adler und ihre Schicksale  wurden von Dagmar Nix.

Quelle: Jüdisches Leben in der Provinz von Rolf-Bernd de Groot

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30 Stolperstein für Betty Adler

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30 Stolperstein für Betty Adler 52.272120, 9.127875 Lange Straße 19, Gedenken an Betty Adler http://www.stolpersteine-obernkirchen.de/stolperstein-30-betty-adler-jg-1869/