Ergänzungen Stolpersteine

von Wilfried Bartels, Obernkirchen (Stand: 30. 6. 2015)

     Stolpersteine in Obernkirchen       

 Vorstellung und Schicksale der Familien und Personen, für die in einer ersten Folge am 1. 7. 2015 Stolpersteine verlegt worden sind.

Bild ein MenschVorwort

Die Initiativgruppe „Stolpersteine in Obernkirchen“, Christoph von Abendroth, Sybille Schlusche, Werner Hobein und der Verfassers,  hat sich darauf verständigt, in diesem Jahr zunächst mit Stolpersteinen für die Personen folgender Familien zu beginnen:

  • Familien Leopold und Elias Lion, die in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße 6 – damals Adolf-Hitler-Straße – ein renommiertes Textilkaufhaus besaßen, aber mit ihren Familien zur Miete wohnten – Elias in der Langen Straße, heute Nr.  22,  und Leopold am  Kirchplatz 2.  Dabei geht es um insgesamt 9 Familienmitglieder.
  • Familie Paul Adler, der ebenfalls ein gutgehendes Textilkaufhaus in der Langen Straße, heute Nr. 9, führte, und in diesem Haus  mit Frau und Sohn auch wohnte – insgesamt also  3 Personen.
  • Familien Max und Martin Schönfeld, beide Familien wohnhaft heute Sülbecker Weg 19, damals war das noch die selbständige schauburg-lippische Gemeinde Rösehöfe 7, insgesamt 6 Personen.

 Insgesamt sind das 18 Stolpersteine.  Damit ist  die Stolpersteinverlegung nicht abgeschlossen. Die Aktion soll im nächsten Jahr fort gesetzt  werden.

Dies gilt auch für die ursprünglich schon in dieses Jahr geplante  Verlegung  eines Stolpersteins vor dem  ehemaligen Kaufhaus Lion – stellvertretend für alle anderen jüdischen Geschäfte -,  als Symbol für das damals florierende Geschäftsleben in Obernkirchen – bis das an die Macht gelangte  Nazi-Regime  ab 1933 mit Boykottaufrufen  bis hin  zur Zertrümmerung von Schaufensterscheiben  dem  ein jähes Ende  setzte.

Bevor ich mit der Vorstellung der Familien und Personen beginne, ein Wort des Dankes:

Ich möchte die Stolpersteinverlegung zum Anlass nehmen, den  leider viel zu früh verstorbenen Rolf-Bernd de Groot  zu würdigen und  ihm zu danken. Ohne seine akribischen und ausführlichen Aufzeichnungen und Schilderungen in dem Buch „Jüdisches Leben in der Provinz“ hätten uns die erforderlichen Informationen für die Stolpersteinverlegung gefehlt. Sein Buch ist daher für alle, die an der jüdischen Geschichte Obernkirchens und Umgebung  interessiert sind, von unschätzbaren Wert. Daher basieren auch meine folgenden Ausführungen weitestgehend auf den  Informationen dieses Buches.

Nun zur Vorstellung der 5 Familien mit den  insgesamt 18 Personen.

1.  Ich beginne mit der Familie Leopold Lion, Kirchplatz 2:

Familie Leopold Lion

 

Die Eltern Leopold  und Karola, geb. Adler, sowie ihre Kinder Ernst und Ursula, genannt Ulla,  wohnten  im Haus Kirchplatz 2 zur Miete.  Ein Foto dieser Familie ziert übrigens die Umschlagseite des schon erwähnten, sehr empfehlenswerten Buches „Jüdisches Leben in der Provinz“. 

Das Haus gehörte  der   Familie Carl Battermann. Soweit ersichtlich, wohnten Leopold Lion und seine Frau dort seit  Eheschließung  1911  und Sohn Ernst und Tochter Ulla seit ihrer Geburt 1912 bzw.  1920.

Leopold Lion führte zusammen mit seinem Bruder Elias das bereits erwähnte  renommiertes Textilkaufhaus Lion  in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße, der damaligen Adolf-Hitler-Straße.

Alle 4 Familienmitglieder wurden in Obernkirchen geboren und wuchsen  hier auch  auf.

Leopold nahm freiwillig  als Frontsoldat am 1. Weltkrieg  teil. Er übernahm nach diesem  Krieg eine Reihe von Ehrenämtern, u. a. das Amt des Vorstehers der jüdischen Gemeinde von 1923 bis zum bitteren Ende 1938. Er war auch Mitbegründer der freiwilligen Feuerwehr.

Neben den alltäglichen Anfeindung und Schikanen  warfen 1935 zum ersten Mal stadtbekannte Obernkirchner SS-Rüpel  ein Schaufenster ihres  Kaufhauses ein.  Den Tätern, obwohl von der Polizei gefasst, passierte nichts – „aus Mangel an Beweisen“. Dem  war eine  nicht mehr steigerungsfähige Hetzschrift  „An die Bevölkerung von Obernkirchen und Umgebung“ vorausgegangen, die mit den Worten endete: „Hinweg mit der Judenpest!“.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10.11. 1938, als ein wütender Mob von  SS-Schergen durch Obernkirchen zog, wurde ein weiteres Mal ein Schaufenster zertrümmert und die Auslagen von der NS-Wohlfahrt beschlagnahmt und abgefahren.

Aber es kam noch schlimmer:  Leopold und Elias und 7 weitere jüdische Geschäftsleute aus Obernkirchen, darunter sein Bruder Elias sowie sein Schwager Paul Adler und dessen erst 15jähriger Sohn Erich wurden im Rahmen einer deutschlandweiten Aktion  wurden verhaftet und dem KZ Buchenwald zugeführt. Die Begründung: Erhöhung des Ausreisedrucks.

Die „Aktion „-  daher rührt übrigens auch die Bezeichnung „Aktionsjuden“ –  soll von Hitler  lt. einer Tagebucheintragung Goebbels persönlich  in der Pogromnacht angeordnet worden sein. Danach sollten ca. 25tausend jüdischen Männer am nächsten Morgen verhaftet und auf mehrere KZs verteilt werden, die aus dem Bezirk Hannover wurden dem KZ Buchenwald zugeführt. Begründung: Erhöhung  des Ausreisedrucks.

Bei der Verhaftung wurde das vorgefundene  Bargeld eingezogen. Damit wurde u. a. die Kosten für den SS-Einsatz in der Pogromnacht finanziert. Ein Verdrehung des Rechts: Nicht die Täter wurden verhaftet, sondern die Opfer, nicht die Opfer wurden entschädigt, sondern die Täter

Für Leopold Lion  stand spätesten nach diesem Nazi-Terror fest, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Denn nur eine schnelle Ausreise konnte ihn und seine Familie vor noch Schlimmeren bewahren.

Um die erzwungene Ausreise  finanzieren zu können, haben er und sein Bruder Elias den ohnehin nicht abwendbaren Verkauf ihres Kaufhauses beschleunigt.

Die so durch den Naziterror erzwungene Ausreise führte die Familie – einschließlich der Mutter von Ehefrau Karola, Betty Adler[1], im Mai 1939 nach Neuseeland. Für Betty Adler,  die im Haus Lange Straße, heute Nr. 19, wohnte,  wird im nächsten Jahr ein Stolperstein verlegt.

Sohn Ernst war bereits im Juni 1938 nach Neuseeland  emigriert. Ihm sind dadurch die Ausschreitungen in der Pogromnacht sowie die Verhaftung am nächsten Morgen und Verbringung ins KZ erspart geblieben.

Dass trotz aller Ungeheuerlichkeiten zwei  in Neuseeland geborene Söhne von Ulla Lion, verh.  Alford, Michael und John Alford  mit ihren Frauen Maricela und Lani,  heute wohnhaft in  Spanien bzw. Israel aus Anlass der Stolpersteinverlegung  für ihre Familie, anwesend sind, ist eine großartigen Geste – ebenso wie die Anwesenheit der Nachfahren der Familie Adler,  die ich als übernächste Familie verstellen werde.

2. Zunächst aber zur Familie des Bruders, Elias Lion, Lange Straße 22.

Familie Elias Lion

Diese wohnte  im Haus Lange Straße, heute Nr. 22, ebenfalls zur Miete. Das Haus gehörte Emil Ranke. Elias (Jg. 1878) war mit Anna, geb. Bloch (Jg. 1892, verheiratet und wohnten – soweit ersichtlich – seit Eheschließung 1912 in dieser Wohnung. Sie hatten 2 Töchter, Ruth und Edith, geb. in dieser Wohnung 1919 bzw. 1920. Auch Elias wurde in Obernkirchen geboren, Anna jedoch in Eldagsen. Mitte 1939 zog Annas Mutter, Johanna Bloch, aus Eldagsen zu, nach dem ihr Haus dort  zwangsverkauft werden musste und ihr Mann kurz darauf verstorben war.

Elias Lion  war – wie sein Bruder Leopold – ein hochangesehener Bürger dieser Stadt. Auch er nahm freiwillig am 1. Weltkrieg teil. Elias Lion beteiligte sich ehrenamtlich in der jüdischen Gemeinde, aber auch darüber hinaus.  Noch 1930 wählte ihn die Mehrheit der Obernkirchner Geschäftsleute zum Vorsitzenden des Handels- und Wirtschaftsvereins. Er war auch Vorsitzender des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten,  OV Obernkirchen. Wie bereits über Leopold ausgeführt, wurde auch Elias am Morgen nach der Pogromnacht verhaftet und dem KZ Buchenwald zugeführt. Elias wollte selbst nach Rückkehr aus dem KZ Buchenwald noch  nicht ausreisen.  Wie viele andere seiner Leidensgenossen konnte er sich nicht vorstellen, dass  er als Freiwilliger des 1. Weltkrieges tatsächlich zur Ausreise gezwungen würde.  Und als er den  Irrtum  einsah, war es zu spät. Die Deportation war bereits beschlossene Sache.

Es folgte dann Mitte 1939  neben anderen Schikanen eine besonders niederträchtige Anordnung der Stadt, die allerdings von „oben“ vorgegeben war.  Die jüdischen Menschen, die  ihre Ausreise noch nicht konkret nachweisen konnten, wurden aufgefordert, ihre Wohnung zugunsten sogenannter arischer Familien zu räumen. Sie sollten – was nicht offen ausgesprochen wurde -,  zur Vorbereitung der Deportation  in das frühere von der Stadt  Mitte1939  beschlagnahmte Synagogengebäude in der Strullstraße, das  nun abschätzig „Judenhaus“ hieß, einquartiert werden.

Elias Lion und seine Familie  erhielten Ende 1939 eine  entsprechende  ultimative Aufforderung. Die Beschädigungen dieses Gebäudes  –  u. a. zertrümmerte Fensterscheiben und Türen –  durch den Naziterror in der Pogromnacht – waren  und wurden auch nicht  für die beabsichtigte Unterbringung der aus ihren Wohnungen vertriebenen Obernkirchner Juden behoben.  Es war dort  also zugig und kalt. Ein Ofen stand nicht zur Verfügung. Die Folge war,  dass die erst 1939 zugezogene nun 81jährige Anna Bloch, dort schon im April 1940  an einer Lungenentzündung verstarb.

Nur die pflegebedürftige 87jährige Mutter von Elias und Leopold Lion, Frommert, genannt Fanny, Lion  bekam noch eine „Gnadenfrist“ und durfte mit einer jüdischen Pflegekraft bis Ende 1941 in  ihrem Haus und   ihrer Wohnung  verbleiben. Sie starb im „Judenhaus“ im Mai 1942, nachdem alle anderen dort untergebrachten Juden schon zur Deportation ins Sammellage Hannover-Ahlem abgeholt worden waren, so auch ihr Sohn Elias mit Frau und den beiden Töchtern Ruth und Edith. Diese hatten  Krankenschwester in einem jüdischen Krankenhaus in Köln gelernt und waren danach unächstin einem solchen Krankenhaus in Frankfurt tätig, bevor sie im israelischen Krankenhaus

Elias Lion wurde allerdings nach einem in Hannover-Ahlem  erlittenen Schlaganfall zum Sterben ins  sogenannte Judenhaus  nach  Obernkirchen zurück verlegt . Dort verstarb er zwei Tage später  am 1. 6. 1942.

Elias war der letzte Verstorbene von insgesamt  5 Todesfällen im sogenannten Judenhaus.  Eine Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Obernkirchen wurde ihnen verwehrt. Dieser war seit Mitte 1939 geschlossen und eine Ausnahme ließen die Nazi-Barbaren nicht zu. Sie wurden auf dem jüdischen Friedhof in Rinteln beerdigt.

Die nun verwitwete Anna Lion und ihre beiden Töchter  wurden  Ende Juni 1942  von  Hauptbahnhof  Hannover  zusammen mit ca. 400 anderen jüdischen Menschen des Bezirks Hannover  in das KZ Theresienstadt deportiert . Dort verstarb Anna im Mai 1943 aufgrund katastrophaler hygienischen Verhältnisse  an den Folgen einer Typhus-Epidemie.

Ruth und Edith Lion  überlebten zwar das KZ Theresienstadt, wurden aber  im Frühjahr 1944  dem Frauenarbeits- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zugeführt.

Wegen der herannahenden sowjetischen Armee wurde  das Lager teilweise  im November 1944  geräumt. Die Frauen wurden unter grauenvollen Verhältnissen in das KZ Bergen-Belsen  transportiert.

Wer allerdings gehofft hatte, dass es ihnen dort besser erginge, wurde schwer enttäuscht. Das Lager Bergen-Belsen war die Hölle auf Erden. Es brach dann auch noch im März 1945 eine gefährliche  Fleckfieber- und Typhus-Epidemie aus. Diese Epidemie raffte auch  die inzwischen knapp 26jährige  Ruth und knapp 25jährige Edith Lion dahin – wenige Wochen bevor das Lager von einem britischen Vorauskommando am 15. 4. 1945  befreit wurde.

Ihr Schicksal ist auch deshalb so besonders schmerzhaft, weil die beiden Schwestern die Chance, mit ihrem Onkel Leopold Lion und seiner Familie mit nach Neuseeland zu fliehen, mit der Begründung ausgeschlagen haben, ihre Eltern nicht im Stich lassen zu wollen.

3. Es folgt die Vorstellung der  Familie  Paul Adler, seiner Frau, Gertrud,  geb. Philippsohn,  und dem  Sohn Erich.

Familie Paul Adler

Sie wohnte Im Obergeschoss des Geschäftshauses auf der Langen Straße, heute Nr. 9. Das Haus wurde anstelle eines alten Fachwerkhauses von Pauls Onkel und Geschäftsgründer Samuel Philipp Adler, 1890. Die damals sehr moderne Fassade ist heute noch weitestgehend unverändert und steht unter Denkmalsschutz.

Paul Adler wurde 1892 in Obernkirchen geboren, aber nicht in diesem Haus, denn dies gehörte  ja seinem Onkel Samuel Philipp, dem Bruder seines Vaters, Meier Philipp Adler. Paul könnte in dem Haus Nr. 19 nur knappe 100 m weiter in Richtung Gelldorf geboren sein. Jenes Haus wurde von Pauls Vater  im Anschluss an den Neubau von Samuel Philipp nach den gleichen Plänen erbaut. Er betrieb darin einen Möbelgeschäft und wohnte darin mit seiner Familie. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das Haus erst nach der Geburt von Paul Adler bezugsfähig war.

Paul  wuchs in Obernkirchen auf und übernahm später – wann genau ist nicht bekannt – das Textilgeschäft „Philipp Adler“, offenbar benannt nach dem Onkel und Gründer, Samuel Phiipp. Paul Adler war Frontsoldat im Ersten Weltkrieg und wurde verwundet.  Auch  er  nahm aktiv an dem gesellschaftlichen Leben dieser Stadt  und der Synagogengemeinde teil.

In der  Pogromnacht vom 9. auf den10. 11. 1938 wurden die beiden Schaufenster seines Geschäfts  eingeschlagen und die Auslagen auf die Straße geworfen. Auch er und sein 15jähriger Sohn Erich wurden am nächsten Morgen verhaftet und mit den anderen verhafteten Obernkirchner Geschäftsleuten  in das KZ Buchenwald eingeliefert .

Paul Adlers Geschäfts- und Wohnhaus wurde 1939  „zwangsversteigert“.  Als einzige Bieterin wurde nur die damalige Stadtsparkasse Obernkirchen zugelassen, die dann das Haus mit Grundstück weit unter Wert erworben hat.

Paul, Gertrud und Erich Adler sowie die verwitwete  Mutter von Gertrud, Fanny Pilippsohn, die in der Schluke, heute Nr. 5, wohnte, emigrierten im März 1940 in die USA.

Paul Adler starb dort 1956, seine Frau Gertrud 1971.

Erich Adler starb auf besonders tragische Weise 1989. Er befand sich nämlich mit seiner Frau Amely auf der Rückreise in die USA nach  dem  Besuch im Oktober  einer Gruppe ehemaliger Obernkirchen Juden  mit ihren Ehegatten im Oktober 1989 in Obernkirchen. Er starb während eines Zwischenstopps in London an Herzversagen.

Mit der Familie Adler verband meine Mutter eine besonders enge Beziehung. Sie hat dort in den 1920er Jahren Textilverkäuferin gelernt und war  danach auch  als Verkäuferin tätig  – bis es ab 1933 wegen der schändlichen Boykottaufrufe  kaum noch etwas zu verkaufen gab. Seit den frühen 1980er Jahren bestand zwischen meiner Mutter und dem Sohn Erich Adler sowie seiner Frau Amely eine intensive Brieffreundschaft entstanden.

Dass bei der Stolpersteinverlegung Erich Adlers Sohn Mark mit Ehefrau Joan sowie Erichs Tochter Vivian Adler mit ihrem Sohn Jeremy, Erichs Enkel und Urenkel von Paul und Gertrud Adler,  dabei sind,  erfüllt mich wegen der geschilderten besonderen  persönlichen Verbindung meiner Mutter zur Familie Adler mit besonders großer Freude und Dankbarkeit. 


4. 
Nun zu den beiden Familie Max  und Martin Schönfeld:

Familien Max und Martin Schönfeld

Die Schicksale der Familien der beiden Brüder Martin und Max sind unterschiedlich verlaufen. Während Martin Schönfeld  bereits Ende 1937 die Chance nutzte und mit seiner Frau Frieda und den erst 7jährigen Sohn Manfred nach Argentinien ausreiste, ist die bereits für Anfang  September 1939 gebuchte Ausreise in die USA seines Bruders Max und Familie geplatzt.  Der Grund war der sich verzögernde Hausverkauf. Die traurige Folge für diese Familie waren Deportation und Vernichtung.

Beide Brüder nahmen als Frontsoldaten am ersten Weltkrieg teil und konnten daher – ebenso wenig wie alle anderen jüdischen Teilnehmer an diesem Krieg – nicht fassen, was ihnen in Deutschland  jetzt angetan wurde.

4.1 Familie Max Schönfeld

Max Schönfeld wurde 1889 in Rösehöfe 7 geboren und wuchs dort auch auf. Er war von Beruf Viehhändler.

Seine Frau Frieda, geb. Herzberg , stammt aus Uthlede, heute  eine Ortschaft in der Gemeinde  Hagen, des Landkreises Cuxhaven.  Sie wurde 1892 geboren.

Die Tochter Lydia wurde 1922 in Rösehöfe 7 geboren.

Rösehöfe war damals noch selbständige schaumburg-lippische Gemeinde des Kreises Bückeburg. Die Familie Max Schönfeld musste auf Anordnung des Landrats dieses Kreise bereits im Dez. 1939 ihre Wohnung  verlassen. Anders als die Juden der Stadt Obernkirchen wurde diese Familie in einem „Judenhaus“  in der damals noch zu Schaumburg Lippe gehörenden selbständigen Gemeinde  Steinbergen (gehört heute zu Rinteln) umquartiert.

Die Familie Max Schönfeld wurde schon  im Dezember 1940 über Bückeburg und Bielefeld in das berüchtigte Reichsghetto Riga deportiert.  Dort verliert sich die Lebensspur von Max Schönfeld. Er kam dort mit an Sicherheit grenzender  Wahrscheinlichkeit ums Leben. Dies vermuteten wir zunächst  – entsprechend den Ausführungen in dem schon mehrfach zitierten  Buch „Jüdisches Leben in der Provinz – auch für seine Ehefrau Frieda.

Es gibt aber Hinweise aus dem Bundesarchiv, dass  außer seiner  Tochter Lydia auch seine Frau Frieda das Ghetto Riga überlebten und 1944 nach Schließung des Ghettos dem KZ Stutthof bei Danzig zugeführt wurden. Ob sie dort oder bei einen der 12 Todesmärsche nach Schließung des KZs im Januar 1945  ums Leben kamen, konnte nicht festgestellt werden.

4.2  Familie Martin Schönfeld

Last but not least – abschießend noch zu dem Schicksal der Familie Martin, Frieda und Sohn Manfred, das Gott sei Dank ein versöhnlicheres  Ende hat.

Martin Schönfeld wurde 1891 in Rösehöfe 7 geboren und wuchs dort auch auf. Er war von Beruf Schlachter, vornehmlich Ziegenschlachter. Martin war seit 1926 mit seiner Frau Frieda, geb. Hammerschlag aus Felsberg, Kreis Kassel, verheiratet.

Aus ihrer Ehe ging der Sohn Manfred  hervor, der am vorletzten Tag des Jahres 1930 geboren wurde. Der Vater Martin hatte die Lage realistisch eingeschätzt  und floh mit seiner Familie bereits Ende 1937 nach Buenos Aires. Sohn Manfred war zu dem Zeitpunkt  erst  7 Jahre alt. Martin ist in Buesnos Aires 1970, seine Frau Frieda 1978 gestorben.

Manfred hat in Buenos Aires seine dort geborene Frau Johanna kennen gelernt. Sie heirateten dort. Beide gehörten zu der Besuchergruppe von 1989. In den späten 1990iger Jahren geschah  dann noch etwas sehr Erfreuliches.  Manfred und seine Frau Johanna kehrten 1998 nach Obernkirchen zurück, aber nicht nur als Besucher, sondern um hier zu bleiben und hier gemeinsam ihren Lebensabend zu verbringen.

Leider währte das Glück  nur ein Jahr.  Am 30. 6. 1999  verstarb Manfred Schönfeld.  Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Obernkirchen beigesetzt  – ziemlich genau 60 Jahre nach dessen Schließung durch die Nazis.

Dass Manfreds Grabmal wiederholt geschändet worden ist, gehört zu den beschämendsten  Ereignissen der  Nachkriegsgeschichte unserer Stadt  – dass seine Frau Johanna, die nicht aus Obernkirchen stammt, aber trotzdem hier wohnen geblieben ist, zu den wohl hoffnungsvollsten.

 

Verlegeort der Stolpersteine Familien Schönfeld
Verlegeort der Stolpersteine Familien Schönfeld

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