Stolperstein 12 für Erich Adler Jg. 1923
12. Sohn Erich Adler, Jg. 1923, 1938 KZ Buchenwald, 1940 Flucht aus Obernkirchen in die USA
Vortrag von Wilfried Bartels am 1.7.2015
Stolpersteinverlegung vor dem früheren Kauf- und Wohnhaus der Familie Paul, Gertrud und Erich Adler, Lange Straße, heute Nr. 9;
Wir sind nun zur Verlegung von Stolpersteinen vor dem früheren Kauf- und Wohnhaus der Familie Adler angekommen. In diesem damals sehr modernen Geschäftshaus haben Paul Adler, seine Frau Gertrud, geb. Philippsohn, und Sohn Erich gewohnt, und zwar im Obergeschoss. Im Parterrebereich führte Paul Adler ein renommiertes Textilgeschäft.
Das Haus wurde anstelle eines hier stehenden alten Fachwerkhauses 1890 von Pauls Onkel und Geschäftsgründer Samuel Philipp Adler, erbaut. Die damals sehr moderne Fassade ist heute noch weitestgehend unverändert und steht unter Denkmalsschutz.
Paul Adler wurde 1892 in Obernkirchen geboren und wuchs hier auf. Sein Elternhaus war das nur knappe 100 m entfernte, genauso aussehende Haus wie dieses, denn es war nach den selben dem Bauplänen wie dieses gebaut worden.
Paul Adler war Frontsoldat im Ersten Weltkrieg und wurde verwundet. Der versprochene „Dank des Vaterlandes“ wahren ab 1933 Diffamierungen, Demütigungen und Entrechtungen und schließlich Vertreibung aus der Heimat.
Die infamen Boykottaufrufe des NS-Regimes gegen jüdische Geschäfte trafen ihn hart und brachten ihn schon frühzeitige an den Rand des wirtschaftlichen Ruins.
In der Pogromnacht vom 9. auf den10. 11. 1938 wurden die beiden Schaufenster seines Geschäfts eingeschlagen und die Auslagen auf die Straße geworfen.
Aber es kam bekanntlich noch schlimmer:
Auch Paul Adler und sein 15jähriger Sohn Erich wurden am nächsten Morgen verhaftet und mit den anderen verhafteten Obernkirchner Geschäftsleuten in das KZ Buchenwald eingeliefert – nur weil sie Juden waren.
Paul Adlers Geschäfts- und Wohnhaus wurde 1939 weit unter Wert „zwangsversteigert“. Nur eine Bieterin war zugelassen – die damalige Stadtsparkasse Obernkirchen.
Seine Frau Gertrud, geb. Philippsohn, wurde 1898 in Obernkirchen geboren, ging hier zur Schule und wuchs hier auch auf. Ihr Elternhaus stand in der Schluke.
Vater, Mutter und Kind waren also gebürtige Obernkirchner, denen nun das Wohnrecht in dieser Stadt streitig gemacht wurde.
Trotz aller erlittener Schmach blieb Paul Adler, was die die Flucht vor dem NS-Terrorregime anging, sehr zögerlich, wie sein Sohn Erich bei dem Besuch 1989 in einem sehr lesenswerten Interview, das in dem Buch „Jüdisches Leben in der Provinz“ abgedruckt ist, ausführte. Denn Paul hoffte immer noch darauf, dass der Nazispuk bald ein Ende haben werde. Der energischen Schwiegermutter, Fanny Philippsohn, ist es wohl zu verdanken, dass Paul schließlich nachgab und die Ausreise organisierte.
Paul, Gertrud und Erich Adler sowie die verwitwete Schwiegemutter, Fanny Pilippsohn, die nachwievor in der Schluke, wohnte, emigrierten im März 1940 in die USA.
Paul Adler starb dort 1956, seine Frau Gertrud 1971. Wann Fanny Philippsohn verstarb, wurde noch nicht festgestellt. Für sie soll im nächsten Jahr ein Stolperstein verlegt werden.
Erich Adler starb auf besonders tragische Weise 1989. Er befand sich nämlich mit seiner Frau Amely auf der Rückreise in die USA nach dem Besuch in Obernkirchen im Oktober 1989. Er starb während eines Zwischenstopps in London an Herzversagen.
Mit der Familie Adler verband meine Mutter eine besonders enge Beziehung. Sie hat dort in den 1920er Jahren Textilverkäuferin gelernt und war danach auch als Verkäuferin tätig – bis es ab 1933 wegen der schändlichen Boykottaufrufe kaum noch etwas zu verkaufen gab.
Seit den frühen 1980er Jahren war zwischen meiner Mutter und Erich Adler sowie seiner Frau Amely eine wunderbare Brieffreundschaft entstanden.
Dass heute die Nachfahren von Paul, Gertrud und Erich Adler –
Erichs Sohn Mark mit Frau Joan sowie Erichs Tochter Vivian mit ihrem Sohn Jeremy aus den USA, dem Zufluchtland der Familie anwesend sind, ist eine großartige Geste, für die wir sehr dankbar sind.
Dies gilt in gleicherweise auch für die anwesenden Nachfahren der Familie Leopold, Karola, Ernst und Ulla Lion – Ullas Söhne Michael und John, ihre Frauen Maricela und Lani sowie den Enkelsohn David. Die beiden Familien waren mit einander verwandt. Familie Leopold Lion wohnte vor der erzwungenen Ausreise nach Neuseeland am Kirchplatz 2 – unserer nächsten und letzten Stolpersteinstation für dieses Jahr.
Ich darf Ihnen nun Herrn Wolfgang Starke aus Düsseldorf vorstellen, dessen Großvater dieses Haus 1939 nach der Zwangsversteigerung von der Stadtsparkasse Obernkirchen erworben hat. Herr Starke ist in diesem Haus mit seinen beiden älteren Geschwistern aufgewachsen und wird sozusagen aus der „Enkelperspektive“ http://www.stolpersteine-obernkirchen.de/vortrag-wolfgang-starke/
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.